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Als Russland 2014 die Ukraine überfiel und dem Land einige Regionen gewaltsam entriss, da schalteten die Ukrainer den annektierten Gebieten irgendwann den Strom ab, weil sie die Invasoren nicht unterstützen wollten. Der Verkehr konnte nicht mehr reguliert werden, Lebensmittel nicht mehr gekühlt und in Krankenhäusern fielen wichtige Geräte aus. Die Russen fuhren daraufhin einen Generator auf den zentralen Platz - und schlossen daran einen riesigen Monitor an. Die Dauerversorgung mit Propaganda aus dem russischen Fernsehen durfte nicht unterbrochen werden.

Die kleine Episode illustriert, dass in autoritären Regimes die Übernahme der Kontrolle über die Medien eine zentrale Rolle spielt. Die Medien sind Vehikel und Instrument einer Demokratie, sie werden als Gegengewicht gebraucht. Die Pressefreiheit ist eines der höchsten Güter einer demokratischen Gesellschaft. In Nordkorea gibt es einen Staatssender und 26 Seiten im staatlich geregelten Internet, in den USA gibt es an jedem Ort hunderte Sender, Programme, Zeitschriften und Webseiten zur freien Auswahl.

Weil das in Amerika so ist, konnte man es noch mit einem Lächeln abtun, als Donald Trump schon während des Wahlkampfs über die "unehrlichen Medien" herzog oder als er den Begriff "Fake News", der eigentlich unwahre Berichte zu seinen Gunsten umschrieb, für seine Zwecke uminterpretierte. Schließlich legten die angeblich "failing" New York Times und die Washington Post neue Rekordzahlen an Online-Abonnenten vor - eben weil die Menschen diese Presseorgane als korrigierendes Gegengewicht verstanden.

Zuletzt allerdings kamen in kurzer zeitlicher Abfolge mehrere Nachrichten auf, die Fragen aufkommen lassen. Zunächst ist da die Sache mit der geplanten Fusion von AT&T und Time Warner. Dieser stellt sich jetzt das Justizministerium entgegen, weil es wettbewerbsrechtliche Bedenken hat. Dazu liefert das Ministerium des schwer angeschlagenen Jeff Sessions auch einige Argumente, die man nachvollziehen kann, wenn man das möchte. Allerdings sind sie ein bisschen schwerer verdaulich, wenn man hört, dass das Ministerium eventuell bereit sei, seinen Widerspruch zurückzuziehen, wenn denn Time Warner vorher CNN verkauft. Jenes CNN also, dass der Präsident regelmäßig heftig kritisiert und der Lüge bezichtigt; jenes CNN, dessen Logo der Präsident in einem von ihm über Twitter verbreiteten Video zerschlägt. Als Käufer stünde übrigens Rupert Murdoch zur Verfügung, so wird kolportiert. Das wiederum ist ein Trump-Freund und nebenbei der Eigentümer von Fox News, für das der Präsident mindestens einmal in der Woche die Werbetrommel rührt.

Als nächstes kam die Meldung, dass die Telekommunikationsbehörde FCC in den nächsten Wochen darüber abstimmen will, ob das seit 2015 bestehende Gebot der Netzneutralität fallen soll. Eine Abschaffung gilt als sicher. Mit der Begründung ist es hier ähnlich wie bei Time Warner: Man wolle den Markt weniger regulieren, heißt es dazu. Auch das ist nachvollziehbar und klassisch republikanische Agenda. Wer sich mit der Materie beschäftigt, kommt jedoch schnell darauf, dass diese Regulierung eventuell ganz schützenswert erscheinen könnte. Denn einmal weitergedacht bedeutet ein Wegfall, dass Internetprovider rechtlich nicht mehr davon abgehalten werden, Kunden den Zugriff auf bestimmte Webseiten zu verweigern oder zu erschweren. Klar, das betrifft im kommerziellen Interesse der Provider in erster Linie datenintensive Seiten wie Youtube oder Netflix. Aber wenn eine Tür einmal geschlossen ist, bekommt man sie dann auch schnell wieder auf? Ist es weit hergeholt, wenn man sich zum Beispiel vorstellt, dass ein Provider ein Nachrichtenportal mit ideologisch eingefärbten Nachrichten betreibt und dieser Provider dann den Zugriff auf andere Nachrichtenportale verlangsamen könnte?

Und dann gibt es da noch die Sinclair Broadcast Group. Das Unternehmen hat zwar wenig Wiedererkennungswert, doch es ist ein Schwergewicht. Es besitzt TV-Stationen und das hauptsächlich in Gebieten im Herzland der USA, wo die Auswahl an Informationsquellen geringer ist als in den Ballungsräumen an den Küsten. Da ist Sinclair bisher kaum vertreten, was an alten gesetzlichen Vorschriften liegt, die eine zu hohe Konzentration von Medienmacht in einer Hand verhindern sollten. Und die nun ebenfalls eliminiert worden sind, im Zuge der Bemühungen um Deregulierung der FCC. Prompt befindet sich Sinclair mitten in Zukaufverhandlungen für weitere TV-Stationen, mit denen die Gruppe mehr als 70% der amerikanischen Haushalte erreichen würde. Ach ja, Sinclair ist übrigens die Gruppe, in der während des Wahlkampfs 15  seichte Interviews mit republikanischen Kandidaten ausgestrahlt wurden und kein einziges mit einem Demokraten. Die Gruppe, über die ein Kolumnist der Baltimore Sun einmal schrieb, manche Segmente auf den Sendern seien "so dicht an klassischer Propaganda, wie man es in den letzten 30 Jahren im Fernsehen nicht mehr gesehen hat".

Es können legitime Anliegen sein, die mit diesen Vorhaben verfolgt werden und es kann ein Zufall sein, dass alles das jetzt passiert und es kann gerechtfertigt sein, dass von den Veränderungen in der Medienlandschaft vor allem konservative Kreise profitieren würden. Vielleicht muss man sich um Pressefreiheit und Medienvielfalt in den USA keine Sorgen machen. Ein wachsames Auge auf sie halten sollte man aber auf jeden Fall.

 


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